Strafarten der Scharia

Neben dem Ehe- und Familienrecht ergeben sich beim islamischen Strafrecht im Vergleich zu westlichen Menschenrechtsvorstellungen die größten Differenzen. Das islamische Strafrecht basiert nach überwiegender Meinung auf einer Dreiteilung in Grenz-, Ermessens- und Wiedervergeltungsvergehen:

Zu den besonderen Merkmalen des islamischen Strafrechts gehört die enge Verflechtung mit dem Beweisrecht. Nur bei den ta’zir-Straftaten (und den mit abhaltenden Strafen bedrohten Taten) ist der freie Beweis mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln möglich, bei den hadd- und den qisas-Straftaten gibt es strenge Beweisregeln, deren Beachtung Voraussetzung einer Verurteilung ist. Sie sind in den materiellen Strafgesetzen selbst, nicht in einem Strafverfahrensgesetz niedergelegt.

Bei den hadd- und den qisas-Strafen gibt es von altersher einen numerus clausus der Strafen. Bei den hadd-Strafen sind diese Steinigung, Kreuzigung, Abschneiden von Hand oder Fuß und Auspeitschung, bei den qisas-Strafen Vergeltung und Blutgeld. Bei den ta’zir-Taten gab es dagegen eine weite Palette von Strafen, der immer noch neue hinzugefügt werden konnten. Die in Europa lange Zeit wichtigste Strafe, die Freiheitsstrafe, hatte im Islam zunächst nur geringe Bedeutung. Weit verbreitet war ferner die Zurückhaltung gegenüber der Geldstrafe. Abgesehen davon, daß der Verurteilte sie vielfach nicht hätte bezahlen können, fürchtete man, daß bei der verbreiteten Korruption die Richter einen Teil davon für sich behalten könnten.

Diese Grundstrukturen sind dem schiitischen und dem sunnitischen Strafrecht gemeinsam, mag es auch im einzelnen Unterschiede geben. Die Scharia ist zu keiner Zeit und an keinem Ort je vollständig zur Anwendung gekommen. Auch heute wird sie in den Staaten (wie z. B. Sudan oder Iran), die die “volle Wiedereinführung” der Scharia postuliert haben, nur teilweise praktiziert. In den meisten islamischen Ländern kommt heute ein Konglomerat zur Anwendung aus koranischen Geboten, Elementen der islamischen Überlieferung, dem arabischen Gewohnheitsrecht, vorislamischen sowie dem europäischen Recht entlehnten Elementen, die insbesondere während der Kolonialzeit in die islamische Welt Eingang fanden.

Prof. Dr. Christine Schirrmacher

Quelle: https://www.igfm.de/die-scharia-eine-einfuehrung/

Dieser Beitrag wurde unter Politik, Uncategorized abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert